Landkreis Rosenheim schreibt Teilhabeplan für Menschen mit Behinderungen fort
Vor 13 Jahren machten sich Menschen mit und ohne Behinderungen auf den Weg, einen Teilhabeplan für den Landkreis Rosenheim zu schreiben. Seitdem ist einiges passiert und trotzdem ist der Handlungsbedarf immer noch hoch. Zeit also Bilanz zu ziehen und aktuelle Bedarfe festzustellen. Der Teilhabeplan des Landkreises wird in diesem Jahr fortgeschrieben und zum Auftakt trafen sich erneut Menschen mit und ohne Behinderungen zu einer Teilhabekonferenz.
Inklusion ist kein Thema für eine Minderheit. So stellte dann auch der stellvertretende Landrat Josef Huber fest, „es ist uns seit 2012 ein großes Anliegen, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Landkreis für die Inklusion begeistern und engagieren.“ In Deutschland lebt beinahe jeder zehnte mit einer schweren Behinderung. Bei nur drei Prozent dieser knapp acht Millionen Menschen war die Behinderung angeboren oder trat im ersten Lebensjahr auf. Bei knapp 91 Prozent wurde die schwere Behinderung durch eine Krankheit verursacht. Es kann also jeden treffen.
Geld, das für Barrierefreiheit ausgegeben wird, ist daher aus Sicht von Holger Kiesel eine Zukunftsinvestition. Kiesel, der selbst im Rollstuhl sitzt, ist der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung. Im großen Sitzungssaal des Rosenheimer Landratsamtes warb er dafür, Barrierefreiheit in allen Planungen miteinzubeziehen. „Das sollte man nicht erst machen, wenn der Bedarf akut ist, denn dann wird es noch teurer.“
Ganz grundsätzlich stellte der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung fest, dass die Unterstützung von Menschen mit Behinderung kein Privileg ist, sondern ein Menschenrecht. Holger Kiesel bedauerte, dass es keine Konsequenzen hat, wenn sich Institutionen nicht an die Barrierefreiheit halten. „Sie sollte verpflichtend abgeprüft werden.“ Auch die Privatwirtschaft möchte Kiesel hier in die Pflicht nehmen und wies darauf hin, dass dies seine und nicht die Position der Bayerischen Staatsregierung sei.
Im Anschluss daran konnten sich die Teilnehmenden der Teilhabekonferenz zu verschiedenen Handlungsfeldern äußern. Positiv bewertet wurde beim Thema „Schule“ die Inklusionsberatung des Schulamtes, die Schulbegleitung und die Jugendsozialarbeit an Schulen. Bedauert wurde dagegen, dass Kinder mit Behinderungen immer noch nicht an den Regelschulen beschult und individuell gefördert werden.
Bedarfsgerechter und bezahlbarer Wohnraum fehlt, auch generationsübergreifende Wohnmöglichkeiten sind zu wenige. Für die Zukunft wird im Bereich „Wohnen“ ein steigender Bedarf an ambulanter Betreuung vorhergesagt. Wenn Menschen mit Behinderung arbeiten wollen, dann bleiben ihnen meist nur speziell auf sie zu geschnittene Werkstätten. Auf dem ersten Arbeitsmarkt gibt es dagegen weiterhin zu wenig Arbeitsplätze.
Im Bereich „Freizeit, Sport, Kultur und Mobilität“ wurde besonders die Abteilung Handicap des Sportbund Rosenheim gelobt. Andere Sportvereine sollten sich trauen, ebenfalls Inklusionsangebote zu machen. Viel Kritik gab es am Öffentlichen Personennahverkehr. Konkret wurde bemängelt, dass viele Bahnhöfe, Bushaltestellen und Busse nicht barrierefrei sind. Zudem gibt es Bedarf an mehr inklusiven Freizeitangeboten sowie an behindertengerechter Gastronomie.
Das Bewusstsein für Kinder mit besonderen Bedürfnissen nimmt zu. Positiv ist zudem im Bereich „frühkindliche Bildung und Betreuung“, dass die Bereitschaft wächst, Integrationsplätze zu schaffen. Ein Problem gibt es aber auch hier, nämlich den Personalmangel. Deshalb reicht der Betreuungsschlüssel meist nicht für eine funktionierende Inklusion.
Damit sich noch mehr Menschen mit Behinderungen an der Fortschreibung des Teilhabeplans beteiligen können, finden in den kommenden Monaten acht Zukunfts-Werkstätten statt. Je zwei in Wasserburg für die nördlichen Landkreis-Gemeinden, in Prutting für die östlichen, in Brannenburg für die südlichen und in Großkarolinenfeld für die westlichen Gemeinden. Darüber hinaus sind fünf Fachforen im Landratsamt geplant, an denen man sich auch digital beteiligen kann.
Von Anfang an wurde der Teilhabeplan vom Sozialplaner des Landkreises Jürgen Laupheimer begleitet. Seit 2012 fanden nach seinen Angaben mehr als 50 Treffen von Arbeitsgruppen zu den unterschiedlichsten Lebensbereichen statt. Die Steuerungsgruppe, welche die Umsetzung des Teilhabeplans begleitet, traf sich 24 Mal. Zudem organisierte Jürgen Laupheimer vier große Teilhabekonferenzen. 2016 wurde die Fachstelle Inklusion im Landratsamt Rosenheim geschaffen und 2022 alle relevanten Bereiche überprüft und bewertet. Laupheimer stellte fest, dass die Offenheit für Inklusion zunahm. Inzwischen gibt es sehr gute Fachberatungen im Landkreis und viele engagierte Eltern bildeten Netzwerke. Auch der Sozialplaner sprach von Personalmangel und fordert, die Ausbildung von Fachkräften mehr auf Inklusion auszurichten.
Der neue Teilhabeplan des Landkreises Rosenheim soll in einem Jahr vorliegen.
Zu positiven Entwicklungen, aber auch zu Defiziten konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Teilhabekonferenz an verschiedenen Stationen äußern.