Vollzug des Tierseuchenrechts;
Anordnung eines Impfverbots gegen die Infektion mit Boviner Virus Diarrhoe nach der Verordnung (EU) 2016/429
und der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689
Aufgrund des Art. 46 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März
2016 zu Tierseuchen und zur Änderung und Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit
(„Tiergesundheitsrecht“), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2018/1629 vom 25.7.2018 (ABl. L 272 S. 11), Art. 71
Abs. 1 lit. b), Art. 72 lit. f) und Anhang IV Teil VI Kapitel 2 Abschnitte 1 und 2 der Delegierte Verordnung (EU) 2020/689 der
Kommission vom 17. Dezember 2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des
Rates hinsichtlich Vorschriften betreffend Überwachung, Tilgungsprogramme und den Status „seuchenfrei“ für bestimmte
gelistete und neu auftretende Seuchen sowie Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheits- und
Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung (Gesundheitsdienst- und
Verbraucherschutzgesetz – GDVG) vom 24. Juli 2003 (GVBl. S. 452, 752, BayRS 2120-1-U/G), das zuletzt durch § 1 des
Gesetzes vom 24. Juli 2020 (GVBl. S. 370) geändert worden ist, ergeht für das gesamte Gebiet des Landkreises Rosenheim
folgende:
Allgemeinverfügung vom 14.05.2021:
- Die Impfung von Rindern gegen die Infektion mit dem BVD-Virus (BVDV) ist ab dem 15.05.2021 im gesamten Gebiet
des Landkreises Rosenheim verboten.
- Die zuständige Behörde kann im Fall eines Ausbruchs eine Ausnahme vom Impfverbot nach vorgenannter Nummer 1
gestatten, wenna) die Ergebnisse der epidemiologischen Untersuchung und der Untersuchungen gemäß Artikel 25 Delegierte
Verordnung (EU) 2020/689 gezeigt haben, dass von dem Ausbruch nur eine begrenzte Zahl von Betrieben betroffen
war undb) nur eine begrenzte Zahl von Rindern, die von der zuständigen Behörde zur Bekämpfung des Ausbruchs für
erforderlich gehalten wird, unter Aufsicht der zuständigen Behörde geimpft wird und die Impfung für jedes Tier
dokumentiert wird.
- In Rinder haltenden Betrieben im Landkreis Rosenheim dürfen ab dem 15. Mai 2021 ausschließlich BVDVunverdächtige
Rinder eingestellt werden, die nicht gegen die BVDV-Infektion geimpft worden sind.
Die BVDV-unverdächtigen, nicht gegen die BVDV-Infektion geimpften Rinder nach Satz 1 müssen von einem
schriftlichen oder elektronischen Nachweis über die BVDV-Unverdächtigkeit des jeweiligen Rindes begleitet sein.
- Für die Ziffern 1.-3. dieser Allgemeinverfügung wird die sofortige Vollziehung angeordnet.
- Diese Allgemeinverfügung tritt am 15.05.2021, am Tag nach Ihrer Bekanntgabe im Amtsblatt in Kraft.
Hinweise:
Auf die Bußgeldtatbestände des § 32 Abs. 2 Nr. 3 Tiergesundheitsgesetz wird verwiesen.
Rechtsbehelfe gegen die Bestimmungen dieser Allgemeinverfügung haben aufgrund der Anordnung der sofortigen
Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung.
I.
Die BVDV-Infektion ist eine gelistete Tierseuche der Rinder. Seit dem 01.01.2011 wird die BVD in Deutschland staatlich
bekämpft. Seither ist ein kontinuierlicher Rückgang der Zahl BVDV-infizierter Bestände zu verzeichnen. Die Tilgung der
Tierseuche BVD und die Anerkennung Bayerns als BVDV freie Region im Sinne des Art. 36 der Verordnung (EU) Nr.
2016/429 sind das Ziel. Ein solcher Status ermöglicht es, durch verpflichtende Zusatzgarantien beim Verbringen von Rindern
die Rinderbestände in Bayern vor BVDV-Neuinfektionen zu schützen. Die günstige epidemiologische Situation und die Tatsache,
dass der überwiegende Teil der Betriebe in Bayern Impfungen gegen BVD nicht mehr durchführt, erlauben den Erlass
eines ab dem 15. Mai 2021 geltenden Impfverbotes.
II.
Zu den Ziffern 1-3:
Das Landratsamt Rosenheim ist für den Erlass dieser Allgemeinverfügung sachlich und örtlich zuständig gem. Art. 3 Abs. 1
Nr. 3 und Abs. 2 GDVG und Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG).
Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Impfverbots ist Art. 46 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EU) 2016/429. Hiernach
können Verbote und Beschränkungen in Bezug auf die Verwendung von Tierarzneimitteln ergriffen werden. Für die Erlangung
des Status „frei von BVD in Bezug auf gehaltene Rinder“ bzw. die Aufrechterhaltung dieses Status ist ein Verbot der
Impfung für gehaltene Rinder gemäß Anhang IV Teil VI Kapitel 2 Abschnitte 1 und 2 der Delegierten Verordnung 2020/689
gesetzlich vorgeschrieben.
Die Einstellungsanordnung in Abschnitt I Nummer 3 ist auf Art. 18 Abs. 1 lit. a) v) der Delegierten Verordnung 2020/689
gestützt. Danach haben die Unternehmer sämtliche von der zuständigen Behörde als notwendig erachtete Maßnahmen zu
erfüllen. Die Maßnahme, dass nur Rinder, die nicht gegen die BVDV-Infektion geimpft worden sind, in Rinder haltende
Betriebe eingestellt werden dürfen, ist notwendig, weil eine Unterscheidung von Impf- und Feldvirusantikörpern bei BVDV
nicht möglich ist. Nur die Antikörperfreiheit beweist somit sicher die Abwesenheit des BVDV im Rinderbestand. Ein Betrieb
kann weiterhin einen Status „frei von BVD“ gemäß Artikel 18 Absatz 1 i. V. m. Anhang IV Teil VI Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 1
Buchstabe d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2020/689 der Kommission nur aufrechterhalten, wenn in den Betrieb nur
Rinder eingestellt werden, die nicht gegen BVDV geimpft wurden, sofern der Betrieb in einer BVD-freien Zone liegt. Der
Status „BVD-freie Zone“ nach Artikel 72 Buchstabe f der Delegierten Verordnung 2020/689 wurde bereits beantragt.
Dem Impfverbot stehen keine Belange der Tierseuchenbekämpfung entgegen. In Anbetracht der unter Abschnitt I
dargelegten epidemiologischen Situation bzw. des erreichten Standes der Tilgung der Tierseuche ist eine Impfung für einen
Abschluss des Tilgungsverfahrens und zur Inanspruchnahme weiterer Schutzgarantien nicht zielführend. Die mit einer
Impfung verbundene Unsicherheit in Bezug auf die Virusfreiheit stellt bei der Vielzahl der Kontaktmöglichkeiten im
Viehverkehr ein nicht vertretbares Risiko für die BVDV-freie Rinderpopulation dar.
Eine Einschleppung von BVDV wird auch dadurch verhindert, dass gemäß Abschnitt I Nummer 3 der Allgemeinverfügung
ausschließlich BVDV-unverdächtige Rinder in Bestände verbracht werden dürfen. Neuinfektionen werden in erster Linie auf
den Zukauf von nicht-virusfreien Tieren zurückgeführt. Eine vorbeugende Schutzimpfung von Rindern gegen die BVDVInfektion
ist deshalb entbehrlich.
In Rinderbestände dürfen daher ab dem 15. Mai 2021 nur noch BVDV-unverdächtige Rinder eingestellt werden, die nicht
gegen die BVDV-Infektion geimpft worden sind.
Die angeordneten Maßnahmen in Abschnitt I des Tenors verstoßen auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Sie verfolgen in erster Linie den Zweck der Förderung der Tiergesundheit, der Verhinderung von Reinfektionen und der
Verhinderung volkswirtschaftlicher Schäden. Sie dienen damit dem öffentlichen Interesse. Zur Förderung der allgemeinen
und spezifischen Tiergesundheit sind Seuchen zu bekämpfen und, soweit möglich, zu tilgen. Die im Zuge der Allgemeinverfügung
getroffenen Maßnahmen sind unerlässliche Maßnahmen bei der BVDV-Bekämpfung. Insbesondere die große Zahl
bereits BVDV-unverdächtiger Betriebe hat ein hohes Interesse daran, weiterführende Schutzmaßnahmen auf Grundlage der
angestrebten Erklärung der Seuchenfreiheit gemäß der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 der Kommission in Anspruch
nehmen zu können, um diese Seuchenfreiheit auch auf Betriebsebene sicherzustellen.
Zur Verfolgung dieser Zwecke sind das Impfverbot und die Einstellungsanordnung geeignete Maßnahmen, um den Anteil
nicht geimpfter BVDV-freier Tiere innerhalb der Rinderpopulation kontinuierlich zu erhöhen und wesentliche Voraussetzung
zur Gewährung des Status „frei von BVD in Bezug auf gehaltene Rinder“ auf Grundlage der Delegierten Verordnung (EU)
2020/689 der Kommission.
Um eine Anerkennung durch die Kommission zu erreichen, sind das Impfverbot und die Beschränkung der Einstellungsmöglichkeiten
erforderlich. Es gibt keine alternativen Möglichkeiten, mit denen die angestrebten Ziele gleich gut erreicht
werden könnten und die gleichzeitig gleich wirksam sind.
Das Impfverbot und die Einstellungsanordnung sind ferner angemessen, da das öffentliche Interesse an der Bekämpfung
der Seuche das Interesse der Rinderhalter am freien Bestimmungswillen über ihr Eigentum überwiegt. Bei den Verfügungen
handelt es sich lediglich um Nutzungsbeschränkungen. Diese stellen keine Eigentumsentziehung dar.
Eine BVDV-Infektion kann zu massiven klinischen Erscheinungen und damit wirtschaftlichen Einbußen führen. Auch die
erforderlichen seuchenprophylaktischen Maßnahmen zum Schutz der Betriebe, die die BVD getilgt haben, vor Reinfektionen
bedeuten für diese Unternehmen nicht unerhebliche wirtschaftliche Aufwendungen für Biosicherheitsmaßnahmen, welche
nicht durch den Betrieb selbst, sondern die Tierhaltungen in der Region mit niedrigerem seuchenhygienischen Status bedingt
werden. Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass das öffentliche Interesse an den angeordneten Maßnahmen die Interessen
der dadurch betroffenen Tierhalter am freien Bestimmungswillen über ihr Eigentum überwiegt. Dem Interesse der betroffenen
Tierhalter, mit ihren Tieren nach Belieben verfahren zu können, stehen mögliche erhebliche wirtschaftliche Schäden,
der Schutz der freien Bestände und die Tiergesundheit als zwingende Gründe gegenüber. Zudem dienen die angeordneten
Maßnahmen dazu, die Anerkennung als BVDV-freie Zone zu erreichen. Damit geht wegen des höheren Tiergesundheitsstandards
der Rinder eine Verbesserung der Handelsmöglichkeiten für alle Tierhalter einher. Da dies allen Rinderhaltern
zugutekommt, dienen die Maßnahmen letztlich auch den Interessen der von den Maßnahmen betroffenen Tierhalter.
Darüber hinaus ist in Abschnitt I Nummer 2 der Allgemeinverfügung zur Vermeidung unbilliger Härte eine
Ausnahmemöglichkeit vorgesehen. So kann für Rinderhaltungen, von der zuständigen Behörde im Einzelfall eine Ausnahme
vom allgemeinen Impfverbot erteilt werden.
Zur Ziffer 4:
Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffern 1 bis 3 des Abschnitts I dieser Allgemeinverfügung wurde nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr.
4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung unter Abschnitt II dieser Allgemeinverfügung wurde auf der Grundlage des § 80
Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO erlassen. Es liegt im besonderen öffentlichen Interesse, dass die zur wirksamen
Seuchenbekämpfung erforderlichen Maßnahmen ohne zeitlichen Verzug durchgeführt werden können. Diesem besonderen
öffentlichen Interesse stehen keine vorrangigen oder gleichwertigen Interessen des Tierhalters gegenüber, die es
rechtfertigen könnten, die Wirksamkeit der Allgemeinverfügung bis zu einer zeitlich noch nicht absehbaren unanfechtbaren
Entscheidung hinauszuschieben. Aufgrund des erreichten hohen BVDV-Freiheitsgrades ist es aus fachlichen und
rechtlichen Gründen erforderlich, die angeordneten Maßnahmen ohne zeitlichen Verzug zu vollziehen. Die Maßnahmen sind
sowohl im öffentlichen Interesse wie im Interesse der potentiell gefährdeten Tierhalter unbedingt erforderlich.
Zur Ziffer 5:
Diese Allgemeinverfügung tritt gem. Art. 41 Abs. 4 S. 4 BayVwVfG bereits am 15.05.2021 in Kraft. Von der Möglichkeit der
Fristverkürzung wurde wegen der für den die Erlangung bzw. Aufrechterhaltung des Status „frei von BVD“ Gebrauch
gemacht. Die entsprechenden Maßnahmen müssen im Interesse einer Erlangung bzw. Aufrechterhaltung des Status
unverzüglich greifen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach ihrer Bekanntgabe Klage bei dem
Bayerischen Verwaltungsgericht in München
Postfachanschrift: 80005 München, Postfach 20 05 43
Hausanschrift: 80335 München, Bayerstr. 30
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erhoben werden. Die
Klage muss den Kläger, den Beklagten (Freistaat Bayern) und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und
soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die
angefochtene Verfügung soll in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen Abschriften
für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung:
- Die Einlegung eines Rechtsbehelfs per einfacher E-Mail ist nicht zugelassen und entfaltet keine rechtlichen Wirkungen!
- Nähere Informationen zur elektronischen Einlegung von Rechtsbehelfen sind der Internetpräsenz der Bayerischen
Verwaltungsgerichtsbarkeit (www.vgh.bayern.de) zu entnehmen.
- Kraft Bundesrechts wird in Prozessverfahren vor den Verwaltungsgerichten infolge der Klageerhebung eine Verfahrensgebühr
fällig.
Landratsamt Rosenheim
Rosenheim, 14.05.2021
gez.
Mascher
Regierungsrätin 611-5304-1-39